Wankendorfs Ortspolitiker tagten öffentlich in Schlüters Gasthof. Die Tierschützer mussten draußen bleiben. Andreas Schlüter machte von seinem Hausrecht Gebrauch und versagte den Zutritt. Rund 30 Tierschutzaktivisten aus Hamburg, Lübeck, Rendsburg, Kiel, Schleswig, Preetz und mehr Orten aus Schleswig-Holstein protestierten mit Gesang und einer mahnwache vor der Tür auf dem Bürgersteig gegen das Tierversuchsunternehmen LPT auf Gut Löhndorf.

Wankendorf / 17.12.2019. 32 Punkte hatten sich Wankendorfs Ortspolitiker auf die letzte Tagesordnung des Jahres geschrieben. Damit nicht genug hatten sich rund 30 Tierschützer vor Schlüters Gasthof zu einer Mahnwache zusammengefunden und protestierten nicht zum ersten Mal gegen die Tierversuche des Hamburger Unternehmens LPT (Laboratory of Pharmacology and Toxicology) auf Gut Löhndorf. Gern hätten die Tierschutzaktivisten das Thema auch in der öffentlichen Sitzung der Gemeindevertretung Wankendorf angesprochen. Allerdings blieb es bei der Mahnwache und einer im Anschluss als spontane Demonstration angemeldeten Protestaktion. Der Grund: Hausherr Andreas Schlüter versagte den Aktivisten den Zutritt auf sein Grundstück und in den Veranstaltungssaal. „Das ist diskriminierend. Wir wollten lediglich friedlich gegen die unhaltbare Behandlung der Versuchstiere und die Tierversuche demonstrieren“, sagte die Flensburger Tierschutzaktivistin Stephanie Keller. Eine Anfrage bei der Polizei zu dem Ausschluss von einer öffentlichen Sitzung einer Gemeindevertretung sei mit dem Hinweis auf eine rechtliche Grauzone beantwortet worden. Ohne eine rechtliche Prüfung wollen die Tierschützer das Vorgehen nicht stehenlassen. Wie Hausherr Andreas Schlüter mitteilte, habe er aufgrund der Lautstärke vor der Tür durchaus mit möglichen Eskalationen gerechnet und daher vorsorglich von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht.

Wankendorf ist nicht zuständig.

„Wir sind hier ein Beschlussgremium der kommunalen Selbstverwaltung. Die Gemeinde Wankendorf kann keine Entscheidungen zu dem Thema „LPT“ fällen. „Das ist auch nicht Aufgabe der Gemeinde“, kommentierte Wankendorfs Bürgermeisterin Silke Roßmann eine Anfrage von Grünensprecher Uwe Hansen. Nach Auskunft der zuständigen Überwachungsbehörde habe das Unternehmen die rechtlichen Vorgaben aus Gut Löhndorf erfüllt. Anfragen aus der Nachbargemeinde Stolpe wurden mit dem Hinweis auf Zuständigkeiten ebenfalls nicht zugelassen. Einem Antrag der Grünen, ie Zustimmung zu einer Erweiterung des Blockheizkraftwerks (BHKW) nahe der Grundschule ruhen zu lassen, wurde abgelehnt – die Zustimmung zur Erweiterung beschlossen. In einer im Vorweg erfolgten Bauausschusssitzung hatten die Grünen darauf hingewiesen, dass die Biogasanlage auf Gut Löhndorf als Energielieferant für das BHKW und die Räumlichkeiten des Versuchslabors demselben Eigentümer gehören. „Wir haben uns gegen die Erweiterung ausgesprochen, weil die Vorwürfe gegen LPT nicht ausgeräumt sind“, sagte Hansen. Wie Hansen bemängelte außerdem dass der Einwand der Grünen nicht im Protokoll der Sitzung niedergeschrieben wurde.

Finanzspielraum sinkt. Realsteuern steigen.

Nachlegen müssen nach den Beschlüssen der Gemeindevertretung die Wankendorfer Bürger. Zum Jahreswechsel steigen die Grund- und Gewerbesteuerhebesätze. Die Grundsteuerhebesätze A und B steigen von 270 auf 335 und der Gewerbesteuerhebesatz von 310 auf 335 Prozentpunkte. Die Erhöhungen seien unvermeidbar, kommentierte Silke Roßmann die Entwicklung. Die steigenden Kosten der Kinderbetreuung, der Schulkosten und ein Anstieg der Amtsumlage ließen keinen Finanzspielraum mehr zu. SPD-Fraktionssprecherin Sabine Friedels Vorschlag angesichts allgemein steigender Wohnkosten für die Familien die Hebesätze moderater anzupassen, wurde abgelehnt. Der Haushaltsentwurf 2020 wurde bei einem Volumen von 5.064.000 Euro im Verwaltungshaushalt und 1.029.000 Euro im Vermögenshaushalt mit 13 zu vier Stimmen verabschiedet. Die SPD lehnte den Entwurf mit vier Stimmen ab. Für den Ankauf von Grundstücken wurden Kreditaufnahmen in Höhe von 422.000 Euro beschlossen. Außerdem wurde ein Verlust von 248.000 Euro aus dem Betrieb des Wasserwerkes auf das kommende Haushaltsjahr vorgetragen. Hinzu kommen rund 70.000 Euro Investitionen in die Technik des Wasserwerkes. Bürger müssen sich damit auf eine Gebührenanpassung einstellen. Außerdem sollen die Möglichkeiten der Städtebauförderung weiter geprüft und entwickelt werden. Im Zuge der Ortsentwicklung sollte sich Wankendorf so auch beim Wettbewerb des Landes Schleswig-Holstein „Digitale Modellkommunen“ bewerben, meinte Silke Roßmann.  

Kommentar: Demokratie geht anders!

In unmittelbarer Nachbarschaft Wankendorfs, auf Gut Löhndorf, betreibt das Hamburger Unternehmen LPT ein Labor für Tierversuche. Erbarmungswürdige Bilder aus der täglichen Arbeit mit den Versuchstieren sind veröffentlicht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen das Unternehmen, das nicht erst in diesem Jahr ins Gerede gekommen und ins Visier der Ermittler geraten ist. So fragwürdig, wie mancher Versuch mit Ratten, Schweinen, Hunden oder Affen ist, so gleichsam fragwürdig sind die Beweggründe für die Versuche. Der Sinn der Forschung am Tier, etwa für die Entwicklung neuer Krebstherapien mag nachvollziehbar erscheinen. Für die Verträglichkeit von Botox, Lippenstiften oder die neuste jung erhaltende Hautcreme für die strapazierte Haut ab Mitte 40 dürfte die Motivation zur Quälerei der Kreatur wohl bestenfalls im Profitstreben liegen. Wieviel Verantwortung hier eine moderne Gesellschaft und damit jeder Einzelne für einen verantwortungsvollen Umgang mit Mitgeschöpfen übernehmen will, darüber darf sicher nachgedacht werden.

Ob das Problem ein gesamtgesellschaftliches ist oder eben auch eines, das auf Landes- und kommunaler Ebene zumindest angesprochen und diskutiert werden muss, das sollte außer Frage stehen. So muss es fragwürdig erscheinen, wenn friedlich protestierende Menschen von einer öffentlichen Sitzung aufgrund von Vermutungen ausgeschlossen werden. Das grenzt an Vorverurteilung. Angeblich haben Wankendorfs Ortspolitiker allerdings von dem ausgesprochenen Hausverbot nichts mitbekommen. Somit mussten die Tierschützer draußen bleiben und ihren Protest auf dem Bürgersteig im öffentlichen Raum kundtun.

Allerdings ging es Gästen im Sitzungssaal und selbst Gemeindevertretern wenig besser. „Nicht Sache der Gemeindevertretung und der kommunalen Selbstverantwortung“, wurde Grünenpolitiker Uwe Hansen von Wankendorfs Bürgermeisterin abgebügelt. Eine Einwohnerin aus der Nachbargemeinde Stolpe wurde ebenfalls belehrt. Sie müsse ihre Anliegen in ihrer Gemeinde in Stolpe vortragen und nicht in Wankendorf. Die Bürgerfragestunde sei nur für Bürger der Gemeinde und anderes nach der Gemeindeordnung nicht zulässig. Weit gefehlt! Mit dem Einverständnis der anwesenden Ortspolitiker hätten Fragen zugelassen werden können. So wird es in vielen anderen Gemeinden gehandhabt! Eine Rüge durch die Kommunalaufsicht wäre hier kaum zu befürchten gewesen. Allerdings ist es bequemer, unbequemen Inhalten auszuweichen, sich für nicht zuständig zu erklären und sich erhabener Fortschritte um die Ortsenwicklung zu rühmen. Demokratie geht anders! Demokratie scheut sich nicht auch unbequeme Themen zu diskutieren – mit den Menschen und selbst aus Nachbarorten! Demokratie wird dort lebendig, wo Menschen im politischen Amt nicht nur bei Städtebauförderung, EU-Zuschüssen oder der Betreuung von Kindern in Tagesstätten und Schule eifrig nicken. Das muss auch für oder gerade ehrenamtliche Arbeit gelten – über den Tellerrand hinweg, abseits von Egogehabe und Fraktionsgetue, und hin zu gesellschaftlicher Verantwortung auch und gerade in den Dörfern im ländlichen Raum. Immerhin, die Gemeinde Wankendorf ist ein ländlicher Zentralort, von dem auch eine gesellschaftspolitische und inhaltlich erstrebenswerte Strahlkraft ausgehen sollte. Farblosigkeit und Sprachlosigkeit sollten nicht nur beim Anstrich von Kindertagesstätten Grenzen, sondern auch bei der Gestaltung der Zukunft unserer Kinder gesetzt werden – im besten Fall durch Meinungsbildung und klare Stellungnahmen – auch wenn es einmal unbequem wird. Mit Vorfreude auf ein hoffentlich lebendiges und gesellschaftsoffenes Jahr 2020 – Ralf Seiler (Autor).